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Brennstoffzelle für die Serie: 175 Jahre und kein bisschen greise

Als Pionier alternativer Antriebstechnologien für Automobile hat Toyota spätestens seit Einführung des Hybridantriebs 1997 Geschichte geschrieben. Jetzt legen die Japaner nach. Ab Dezember verkaufen sie auf dem heimischen Markt den Mirai. Die Limousine der Mittelklasse ist das erste Serienfahrzeug mit einer Brennstoffzelle als Antrieb. Die Technik ist eigentlich ein alter Hut. Das Prinzip der Energieumwandlung von chemischer in elektrische Energie ist bereits 175 Jahre alt. Im Auto steht die Brennstoffzelle jedoch noch am Anfang ihrer Entwicklung.

Die Brennstoffzelle als Antrieb für Fahrzeuge beschwingt schon lange die Phantasie von Technikern und Umweltschützer. Aus der Reaktion von Sauerstoff und Wasserstoff entsteht Energie und als Abfall Wasser. Wasserstoff und Sauerstoff sind in der Natur praktisch unbegrenzt vorhanden. Doch bis die Brennstoffzelle Otto- und Dieselmotoren auf breiter Front die Batterie als Energiespeicher für einen Autoantrieb ablösen wird, haben Techniker und Autobauer noch immense Aufgaben zu bewältigen.

Paradoxerweise ist die Brennstoffzelle sogar mehr als drei Jahrzehnte älter als der Viertakt-Verbrennungsmotor mit Leuchtgas, den Nikolaus Otto 1877 zum Patent angemeldet hatte. Die Brennstoffzelle ist eine sogenannte „galvanische Zelle“. Dies bezeichnet eine Vorrichtung, die für eine spontane Umwandlung von chemischer in elektrische Energie sorgt.

Die Funktionsweise der Reaktion entdeckte der deutsch-schweizerische Chemiker Christian Friedrich von Schönbein bereits 1838 und beschrieb sie im folgenden Jahr. Der Entdecker des Ozon und der Schießbaumwolle stellte fest, wie sich zwischen zwei Drähten eine Spannung aufbaute, als er zwei in Schwefelsäure getauchte Platindrähte mit Sauerstoff, beziehungsweise Wasserstoff umspülte. 1839 setzte der englische Physiker Sir William Robert Graves das Prinzip in Gestalt einer Batterie praktisch um.

Die Entwicklung einer leistungsfähigen Energiequelle aus dieser „Ur-Brennstoffzelle“ scheiterte im 19. Jahrhundert an den technischen Möglichkeiten der Zeit. Außerdem revolutionierte Werner von Siemens 1866 mit seiner Erfindung des elektrischen Generators die Elektrotechnik als praktisch unendlich leistungsfähiger Energiewandler.

Die Stunde der Brennstoffzelle schlug erst mehr als 100 Jahre später. Mit dem Beginn der bemannten Raumfahrt rückte die aufwendige und teure Technik in den Fokus der Ingenieure. Geld spielte in der Raumfahrt keine Rolle.

Weniger spektakulär waren da Entwicklungen bei Batteriehersteller Varta. Auf dem Gelände seines Forschungs- und Entwicklungszentrums in Kelkheim fuhren schon in den 1970-ger Jahren Elektrotransporter mit Strom aus Brennstoffzellen. Hier arbeitet mit Prof. August Winsel einer der beiden Pioniere der Brennstoffzelle. Zuvor schon hatte Prof. Eduard Justi (1904 bis 1986) die Grundlagen für die Brennstoffzelle gelegt – auch für die heutige Solartechnik. Doch bei Varta spielte Geld eine Rolle. Und die Automobilindustrie wollte damals nichts wissen von der Elektromobilität. Kelkheim wurde geschlossen, was übrigens auch einen tiefen Einschnitt bei der Entwicklung der Lithiumionenbatterie in Deutschland bedeutete. Beide strategischen Themen gerieten hier ins Hintertreffen. Erst deutlich später rührte sich Mercedes-Benz 1993 mit einem MB 100 Transporter, der seinen Strom aus einem 800 Kilogramm schweren Brennstoffzellen-Stack bezog.

Eine Brennstoffzelle besteht aus zwei Elektroden. Dabei trennt eine Membrane die beiden Elektroden räumlich. Der „Brennstoff“ Wasserstoff umspült die Anode. Der Wasserstoff oxidiert an dieser Elektrode katalytisch. Dabei trennen sich Elektronen und Protonen. Um nun Spannung und einen Stromfluss zu erzeugen, dürfen nur die Protonen an die Kathode gelangen. Dies gewährleistet die sogenannte „Protonenaustauschmembrane“ (PEM = Proton Exchange Membrane). Auf ihrem Weg gelangen die Elektronen zur Kathode in der Nachbarkammer. Ein hoch reaktives Element wie Sauerstoff umspült die Kathode als Oxidationsmittel. Der Sauerstoff reduziert durch die Aufnahme der Elektronen zu Anionen und reagiert mit den durch die PEM gewanderten Protonen zu Wasser.

Der in der Brennstoffzelle erzeugte Strom treibt schließlich einen Generator an, der die elektrische Energie in die für den Antrieb erforderliche Drehbewegung umsetzt.

Um die notwendige Kraft für einen Fahrzeugantrieb zu liefern, sind zahlreiche einzelne Brennstoffzellen erforderlich. Sie sind in sogenannten „Stacks“ zusammengefasst. Die Stacks des Toyota Mirai sind die derzeit effizientesten. Pro Liter Bauvolumen erzeugen sie 3,1 kW Leistung. Insgesamt beträgt die Systemleistung 113 kW / 154 PS. Damit ist der komplette Antrieb nicht größer als ein Vierzylinder-Motor.

Für die Brennstoffzelle als Teil eines künftigen Antriebs Motor für Fahrzeuge spricht nicht nur die umweltfreundliche Arbeitsweise. Ebenso ist der „thermische Wirkungsgrad“, also die Fähigkeit, die im Kraftstoff gebundene chemische Energie zu wandeln, extrem hoch. Sie liegt bei mehr als 80 Prozent. Rund doppelt so hoch wie beim derzeit effizientesten Diesel. Bis diese fast märchenhafte Effizienz und Umweltfreundlichkeit freilich in breiter Masse genutzt werden kann, sind noch gewaltige technische Hürden zu überwinden.

Die Herstellung von Wasserstoff erfordert einen hohen Energieeinsatz. Somit gewährleistet nur Strom aus regenerativen Energiequellen eine sinnvolle Umweltbilanz. Und schließlich sind bei der Speicherung und dem Transport des Gases noch viele Probleme zu lösen. Wasserstoff ist so extrem flüchtig, dass er selbst durch massive Metallbehältern dringt und sich verflüchtigt. Toyota löst das Problem beim Mirai mit Tanks aus kohlefaserverstärkten Kunststoffen. Das Gas lässt sich dabei mit maximal 700 bar Druck speichern.

Auch ein so großer Autobauer wie Toyota wird es nicht schaffen, die Revolution einer neuen Antriebstechnik allein auf breiter Ebene durchzusetzen. Zusammen mit Daimler, Ford, GM, Honda, Hyundai und Renault-Nissan haben die Japaner Ende September eine Erklärung unterzeichnet, die Entwicklung und Markteinführung von Brennstoffzellenfahrzeugen gemeinsam zu stemmen. Bis schließlich ein flächendeckendes System an Wasserstoff-Tankstellen zur Verfügung steht, werden noch Jahrzehnte ins Land gehen.

Ab September 2015 können auch europäische Kunden einen Toyota Mirai leasen. Die Kalkulationsgrundlage liegt bei 74 540 Euro. Auf den ersten Blick eine große Summe für eine 4,89 Meter lange Mittellklasselimousine. Freilich ist dieses geballte Gebinde an Hightech-Komponenten noch immer stark subventioniert.

Bis die breite Masse der Kunden sich beim Autokauf die Antwort auf die Frage „Diesel oder Benziner?“ sparen kann, weil die Brennstoffzelle zum Standard unter den Motorhauben gehört, ist also Geduld erforderlich. Und ein Optimismus für diese Technik, die fast so alt ist wie sie selbst. So schrieb der Visionär Jules Verne bereits 1870 über die Zukunft der Brennstoffzelle: „Das Wasser ist die Kohle der Zukunft. Die Energie von morgen ist Wasser, das durch elektrischen Strom zerlegt worden ist. Die so zerlegten Elemente des Wassers, Wasserstoff und Sauerstoff, werden auf unabsehbare Zeit hinaus die Energieversorgung der Erde sichern.“ (ampnet/tl)

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Toyota Mirai.

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Toyota Mirai.

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Toyota Mirai.

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Wasserstofftanks des Toyota Mirai.

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Rohkarosserie des Toyota Mirai.

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Antriebskonzept des Toyota Mirai.

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Unterboden des Toyota Mirai.

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Antrieb des Toyota Mirai.

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Brennstoffzellen bei Mercedes-Benz: Es begann 1993 mit einem Transporter MB 100. Die Brennstoffzellen- und Messtechnik an Bord wog 800 Kilogramm.

Brennstoffzellen bei Mercedes-Benz: Es begann 1993 mit einem Transporter MB 100. Die Brennstoffzellen- und Messtechnik an Bord wog 800 Kilogramm.

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