Vor dem Autogipfel im Kanzleramt am Donnerstag haben sich unter anderem der Automobilclub von Deutschland sowie der der neu gegründete Verband der Automobilhändler Deutschlands mit klaren Forderungen an die Bundesregierung gewandt. Der VAD bekräftigte seine Unterstützung für die Ziele der Bundesregierung, forderte aber zugleich mehr Pragmatismus und Technologieoffenheit in der Umsetzung. „Wir kennen die Kunden besser als jeder andere – und wir hören ihre Skepsis gegenüber der Elektromobilität jeden Tag in den Autohäusern“, so Verbandspräsident Burkhard Weller.
Zwar wachse das Interesse an Elektroautos, doch nach wie vor spielten Kaufpreis, Stromkosten, Reichweite, Ladeinfrastruktur und Ladegeschwindigkeit eine zentrale Rolle bei den Kaufentscheidungen, teilte der VDA mit, der die Interessen einer Branche mit 6000 Autohändlern und mehr als 300.000 Beschäftigten vertritt. Eine jüngst veröffentlichte Allensbach-Studie im Auftrag des Verbands habe dies bestätigt.
Um die Wettbewerbsfähigkeit des Automobilstandorts Deutschland zu sichern und den Absatz von Elektroautos zu fördern, schlägt der Händlerverband in einem Brief an Bundeskanzler Friedrich Merz eine Dreifachstrategie vor. Zum einen den Verzicht auf das Verbrennerverbot. Technologie dürfe nicht per Gesetz erzwungen werden, so der Verband. „Die Beliebtheit von Plug-in-Hybriden zeigt, dass es mehrere Wege zum Klimaziel gibt.“ Auch synthetische Kraftstoffe aus erneuerbaren Energien müssten als Option ernsthaft gefördert werden. Außerdem fordert die Interessenvertretung bessere Rahmenbedingungen für E-Fahrzeuge. Dazu zählen eine Fortführung der steuerlichen Vorteile für Dienstwagen und die weitere Befreiung von der Kfz-Steuer. Zudem fordert der Verband transparente und niedrigere Strompreise an Ladesäulen sowie einen konsequenten Ausbau der Schnelllade-Infrastruktur. Last, but not least wird eine Digitalisierungs- und Informationsoffensive angemahnt: Ein gebündeltes Informationsangebot zur Elektromobilität könne helfen, Informationsdefizite und Skepsis gegenüber der Elektromobilität zu überwinden.
Ablehnend äußert sich der Verband zu neuen Kaufprämien oder staatlichen Bonusprogrammen. Diese führten nur zu kurzfristigen Nachfrage-Spitzen, schadeten dem Gebrauchtwagenmarkt und entwerten die Elektroautos in den Händen von Verbrauchern und Handel. „Unsere Mitglieder wollen, dass die Menschen in Deutschland möglichst viele gute Optionen für eine bezahlbare und nachhaltige individuelle Mobilität haben“, heißt es abschließend in dem Schreiben an den Bundeskanzler.
Der Automobilclub von Deutschland (AvD) mahnt an, die Bedürfnisse der Autofahrer nicht aus dem Blick zu verlieren. Kraftfahrzeuge mit Verbrennungsmotor in Deutschland hätten im zugelassenen Bestand einen Anteil von über 95 Prozent. Das Durchschnittsalter der privaten Pkw liegt laut Kraftfahrt-Bundesamt bei fast elf Jahren, und das bei immer noch wachsender Gesamtzahl. „Die privat zur Bewältigung der täglichen Wege genutzten Wagen sind also gebraucht. Die vielen Millionen Pendler können sich teure Neuwagen, die politisch gewünscht E-Fahrzeuge sein sollen, schlicht nicht leisten. Noch weit in die 2030er Jahre wird die individuelle Mobilität davon geprägt sein. Aber selbst wenn ab sofort ausschließlich E-Autos verkauft würden, bräuchte es mindestens 15 Jahre, um den Bestand zu erneuern“, sagte AvD-Präsident Lutz Leif Linden.
Der Automobilclub will daher Verbrennermotoren bei der künftigen Mobilität berücksichtigt sehen. Dabei sollten e-Fuels eine wichtige Rolle spielen. Der größte Vorteil sei, dass sie sich in bestehenden Motoren und Tankstelleninfrastrukturen nutzen lassen, ohne dass Fahrzeuge umgerüstet werden müssen. Für deren Weiterentwicklung und Verbreitung müssten finanzielle Anreize geschaffen werden, um das Potenzial für eine signifikante Verringerung von Treibhausgasemissionen voll auszuschöpfen. „Wenn wir C02 wirklich reduzieren wollen, müssen wir den Altbestand einbeziehen. Es geht nicht nur um Neuwagen. Ein wichtiger Baustein sind Steuerbefreiungen für C02-neutrale Kraftstoffe“, so Linden. Zudem ist ein Ausgleich für Gering- und Normalverdiener bei der ab 2027 geplanten C02-Steuer auf Kraftstoffe vorzusehen.
Linden bezeichnet das geplante EU-weite Verbot neuer Verbrenner ab 2035 als „weltfremd“: „Den deutschen Standort sichert man am besten, indem hier Fahrzeuge produziert werden, die weltweit für jeden Einsatzzweck geeignet sind.”
Der AvD prognostiziert für 2045 einen Antriebsmix auf den deutschen Straßen von rund 45 Prozent batterieelektrischen Fahrzeugen, etwa 50 Prozent Verbrennern – betrieben mit e-Fuels oder anderen klimaneutralen Kraftstoffen – und einem kleinen Anteil von Wasserstoffmotoren.
Auch der Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) sieht nach den deutlichen Zuwächsen bei den Neuzulassungen von über 30 Prozent bei Elektroautos im vergangenen Monat keinen Grund für Optimismus. „Die Zuwächse täuschen – sie finden in einem insgesamt schwachen und rückläufigen Markt statt“, erklärte ZDK-Präsident Thomas Peckruhn. „Was wir endlich dringend brauchen, sind klare und langfristige Signale der Politik. Ohne verlässliche Rahmenbedingungen bleibt die Elektromobilität für viele Kundinnen und Kunden ein Risiko.“
Für einen in der Gesellschaft breit angelegten Hochlauf der Elektromobilität müsse auch das Vertrauen der Privatkunden in den Fahrzeugkauf gestärkt werden. Entscheidend für eine höhere Marktakzeptanz seien vor allem niedrigere Stromkosten beim Laden: Netzentgelte und Stromsteuer müssten spürbar gesenkt und Einsparungen verpflichtend an die Endkunden weitergegeben werden. Darüber hinaus fordert der ZDK, das öffentliche Laden planbarer zu gestalten – durch den zielgerichteten Ausbau der Ladeinfrastruktur sowie durch überall einsetzbare Ladekarten und geringere Durchleitkosten.
„Nur mit stabilen und kalkulierbaren Rahmenbedingungen lässt sich das Vertrauen in die Elektromobilität sichern. Planungssicherheit ist die Grundlage für Investitionen – dies gilt sowohl für Kunden als auch für Kfz-Betriebe“, erklärte Peckruhn. (aum)
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