Batteriebetriebene Elektroautos (BEV) der Kompaktklasse sind erst ab einer Laufleistung von 90.000 Kilometern klimafreundlicher als solche mit Verbrennungsmotoren. In einer Langzeitbetrachtung, die die Ingenieure und Ingenieurinnen des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) mit dem Karlsruhe Institute of Technology (KIT) durchführten, schneiden bei einer Fahrzeug-Laufleistung von 200.000 Kilometern E-Autos und Plug-in-Hybrid-Fahrzeuge in ihrer Klimabilanz am besten ab, gefolgt von Diesel- und Benziner-Pkw, die mit fossilen Kraftstoffen betankt werden.
Ein Privatauto fährt in Deutschland zur Zeit knapp 13.000 Kilometer pro Jahr. Die 90.000 Kilometer sind also nach rund sieben Jahren erreicht, die 200.000 Kilometer nach knapp gut 15 Jahren. Das ergibt sich aus den Kernergebnissen der umfangreichen Studie des interdisziplinären Expertengremiums Antriebe der VDI-Gesellschaft Fahrzeug- und Verkehrstechnik. Dabeiu wurde die Ökobilanz von E-Autos, Plug-In-Hybriden (Benzin/Diesel) sowie konventionell angetriebenen Autos (Diesel/Benzin) verglichen. Die VDI-Ökobilanzstudie hat dabei den Umwelteinfluss verschiedener Pkw-Antriebskonzepte von Fahrzeugen der Kompaktklasse wie VW ID 3, Ford Focus, Toyota Corolla Hybrid oder VW Golf untersucht.
Die genaue Ökobilanz hängt von zahlreichen Faktoren ab wie dem Produktionsstandort, dem Energiemix bei der Produktion von Fahrzeug und Komponenten sowie dem genutzten Antrieb auf der Straße und der dabei verwendeten Energie. E-Autos und Hybridfahrzeuge starten durch die ressourcenintensive Herstellung der Antriebstechnologie bei ihrer Bilanz mit einem ökologischen Rucksack, da die Batterieproduktion heutzutage fast ausschließlich noch in Asien stattfindet.
„Für die klimafreundlichere Mobilität brauchen wir in Deutschland dringend den Ausbau der Erneuerbaren Energien, den Aufbau einer grünen Batterieproduktion, aber auch nachhaltig erzeugte Kraftstoffe für Bestandsfahrzeuge“, sagt Dr. Joachim Damasky, Vorsitzender der VDI-Gesellschaft Fahrzeug- und Verkehrstechnik. Erst die grün produzierte Batterie und ihre Vormaterialien reduzieren den ökologischen Fußabdruck der Produktion und lasse die E-Mobilität wirklich klimafreundlich werden.
Trotz des ökologischem Rucksacks, schneiden – so Damasky – E-Autos und Plug-in-Hybride heute schon im Langzeitbetrieb am besten ab. Bei einer angenommenen Laufleistung von 200.000 Kilometern liegen die Stromer vorn. E-Autos verursachen im betrachteten Gesamtzeitraum – von der Fahrzeug- und Antriebsproduktion bis zum Ende der gefahrenen Kilometer – 24,2 Tonnen CO2. Auf Rang 2 liegen Plug-in-Hybride (wie der Toyota Corolla Hybrid) mit unwesentlich mehr CO2-Emissionen von 24,8 Tonnen. Diesel- und Benzinerfahrzeuge der Kompaktklasse (wie der Ford Focus, VW Golf) folgen mit deutlichem Abstand auf den Plätzen 3 und 4 und sind beim Betrieb mit 100 Prozent fossilen Kraftstoffen für Treibhausgas-Emissionen von zusätzlich 33 Tonnen CO2 (Diesel) bzw. 37 Tonnen CO2 verantwortlich.
Würden für die Verbrenner nachhaltig produzierte Kraftstoffe eingesetzt, könnte sich das Bild wieder drehen. Denn sie emittieren weniger zusätzliches CO2 als die fossilen Brennstoffe. Die Rede ist von einem Vorteil von 70 Prozent bei der CO2-Emission.
Diese Überlegung ging nicht in die Zahlen des VDI ein. Der untersuchte in seiner umfassenden Ökobilanz-Studie verschiedene Szenarien der Stromnutzung und kommt zu dem Schluss: Würde man in Deutschland künftig – wie von der Bundesregierung geplant – ausschließlich Strom aus erneuerbaren Energien für den Fahrzeugantrieb nutzen, wären E-Autos mit heutigem Standard im Jahre 2035 schon ab 65.000 gefahrenen Kilometern klimafreundlicher als Diesel- oder benzinbetriebene Fahrzeuge. Wird ein E-Auto mit fossil erzeugtem Strom betrieben verschiebt sich der Wert auf 160.000 gefahrene Kilometer.
Fazit der VDI-Ökobilanzstudie 2023: Wir müssen uns bei der Ökobilanz die Treibhausgasemissionen von Produktion, Laufzeit und Entsorgung anschauen. Erst die grün produzierte Batterie und ihre Vormaterialien machen die E-Mobilität klimafreundlich. Hier hat die Industrie in Zukunft einen großen Hebel für eine klimafreundlichere Mobilität, der heute leider noch nicht genutzt wird. Wir brauchen daher mehr Batterieproduktion Made in Germany, ein besseres Batterierecycling sowie den schnellen Ausbau der erneuerbaren Energien – sowohl in Form von grünem Strom als auch grünen Kraftstoffen. „Die Ökobilanzstudie zeigt, dass es zu kurz gedacht ist, nur über den Verbrauch der Fahrzeuge zu reden“, sagt VDI-Experte Joachim Damasky.
Die Handlungsempfehlungen des VDI im Überblick:
Ohne grünen Strom keine grüne E-Mobilität
Wir brauchen für eine klimafreundlichere Mobilität in Deutschland den Ausbau der erneuerbaren Energien. Allein der Umstieg auf Elektroautos und Hybridfahrzeuge wird nicht ausreichen, wenn der Strom „dreckig“ produziert wird. Der Ausbau von Photovoltaik und Windkraft ist wichtig und wird die Klimabilanz der Elektroautos in der Nutzungsphase spürbar verbessern.
Erst grüne Batterien ermöglichen grüne E-Mobilität
Die Batterieproduktion für Elektroautos muss zwingend mit regenerativer elektrischer Energie erfolgen, um Treibhausgasemission bei der Produktion gering zu halten. Die Studie zeigt, dass die Emissionen von batterieelektrischen Fahrzeugen entscheidend durch die Produktion der Batterien bestimmt werden. Hierbei spielt der jeweilige Produktionsort eine zentrale Rolle.
Standort D stärken
Batterien müssen in Deutschland und Europa mit erneuerbarem Strom nachhaltig produziert werden. Eine Batterieproduktion in Deutschland und europäischen Ländern mit hohem erneuerbarem Energieanteil sorgt neben einer europäischen Wertschöpfung für eine bessere CO2-Bilanz der Autos.
E-Fuels sind ein wichtiger Technologiebaustein
Zur Erreichung der deutschen und europäischen Klimaziele im Verkehrssektor ist die Nutzung von klimaneutralen Kraftstoffen für die Bestandsflotte unabdingbar. Hierfür müssen umgehend die regulatorischen Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit die Industrie in eine entsprechende Skalierung der nachhaltigen Kraftstofferzeugung investiert.
Plug-in-Hybride leisten positiven Beitrag
Um möglichst emissionsarm zu fahren, müssen Autofahrer auf den bestimmungsgemäßen Betrieb von Plug-in-Hybriden achten. Sie müssen ihre Plug-in-Hybride prioritär und regelmäßig elektrisch laden, um einen hohen elektrischen Fahranteil zu erreichen.
Leichtere Fahrzugklasse M0 bietet zusätzliches Potenzial
Eine neu zu schaffende Elektro-Kleinfahrzeug-Klasse M0 für den urbanen Bereich mit entsprechend kleinen Batterien, niedrigem Gewicht und geringer Stellfläche, aber keinen Abstrichen bei der Sicherheit, kann viele Mobilitätsbedarfe erfüllen.
F&E von Batterie-Recycling zielgerichtet förden
Die Studie sieht neben bereits erfolgten regulatorischen Vorgaben einen verstärkten Handlungsbedarf hinsichtlich des Recyclings der Traktionsbatterien von Elektroautos, in der Forschung und Entwicklung sowie einer Skalierung auf einen industriellen Maßstab. Mit Blick auf Materialbedarf und -verfügbarkeit wird dem Thema Recycling künftig eine immer wichtigere Rolle zukommen. (aum)
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